Dienstag, 1. Juli 2008

Urlaub im Kasernenhof

ie naiv rückständig die öffentlichen Vertreter Saudi-Arabiens sind, beweist ein heute erschienener Artikel der Welt. Nachdem man sich jahrzehntelang auf den nicht enden wollenden wachsenden Reichtum durch Glück (sprich Öl) verlassen hatte, will man jetzt schön langsam mal auf andere Wirtschaftszweige diversifizieren: Touristen sollen Allahs eigenes Land besuchen. Ihre harte Währung ist hochwillkommen im Land, das auf das zu Ende gehende Ölzeitalter blickt. Allerdings müssen sich die Touristen nach den Wünschen der Gastgeber richten und nicht - wie überall sonst auf der Welt - die Gastgeber nach den Touristen:
Ein glitzerndes und blinkendes Urlaubsziel wie Dubai, in dem mittlerweile sogar russische Prostituierte ihren Dollar machen, werde Saudi-Arabien auch in Zukunft nicht sein, sagt Ahmed Mostafa, unser Reiseführer und Chef der Reiseagentur „Sadd Al-Samallaghi Establishment“. Auch einen Tauchtourismus wie auf der anderen Seite des Roten Meeres, in Ägypten, werde man nicht fördern. Weder dürften sich in Zukunft Bikinischönheiten an öffentlichen Stränden aalen, noch würde man für westliche Besucher das strenge Alkoholverbot aufheben.

Die Doppelmoral gilt nur für Moslems, die Ungläubigen müssen sich islamischen Regeln unterwerfen:
Wer kommt, muss sich also mit alkoholfreiem Bier abfinden. So wie die Saudis, zumindest offiziell.

Dafür gibt es ein paar Sehenswürdigkeiten, die man sonst kaum wo auf diesem Planeten findet:
Wer kommt, sollte zudem wissen, dass er sich in einem Land befindet, in dem Menschen öffentliche Hinrichtungen besuchen wie Fußballspiele und schon das Schimpfen auf den Propheten Mohammed den Tod durch das Schwert bedeuten kann. Wer kommt, wird eine streng nach Geschlechtern getrennte Gesellschaft vorfinden, in der Frauen nicht Auto fahren oder wählen dürfen, in der weibliche Studenten, von denen es viel mehr gibt als männliche, ihren Professor nur vom Monitor kennen und in der Touristinnen die Nutzung des Fitnessraums und des Schwimmbades in ihrem Hotel untersagt ist

sofern man die Gnade hat, überhaupt einreisen zu dürfen:
Ganz davon abgesehen, dass Verschleierungszwang auch für sie besteht und sie (die Touristinnen, Anm.)ohnehin nicht einreisen dürfen, wenn sie jünger als 30 Jahre sind.

Wenn man dann mal drinnen ist im Land der Doppelmoral, dann wird man ganz besonders herzlich umsorgt:
Manchmal stoppt uns ein Sicherheitsmann der Regierung und zählt durch. Wir sollen uns willkommen fühlen, aber sicher ist sicher.

Wer glaubt, daß in Saudi-Arabien nur die Geschlechter getrennt werden, liegt ordentlich daneben:
Jeddah, die Stadt am Roten Meer, ist die Endstation unserer Reise. Hier werden Muslime getrennt von Nicht-Muslimen in Extra-Terminals auf dem Flughafen abgefertigt

Dabei ist das noch richtig großzügig, denn die größten Sehenswürdigkeiten darf man nicht einmal gegen Abführung einer Dhimmi-Steuer sehen:
und von hier sind es nur 75 Kilometer bis nach Mekka, der Stadt, zu der Nicht-Muslime keinen Zutritt haben.

Wer aufgrund des Kulturverbots sich anderweitig unterhalten möchte, hat Pech gehabt: außer Einkaufen ist nicht viel möglich:
Auf seiner Corniche, der 60 Kilometer langen Prachtstraße, irrlichtert saudischer Ölreichtum, Shoppingmalls so groß wie Fußballstadien, als Ersatz für Kino und Theater, die verboten sind.

Und selbst Archäologen müssen religiös korrekt arbeiten:
Hier in der Nähe gräbt auch der Libanese Mahammad al-Daire nach vorislamischen Kulturen, bittet uns aber um Diskretion. Er fürchtet die blinde Zerstörungswut der Anwohner, die – kriegen sie Wind davon – die Fundstücke glatt zerstören würden, weil sie aus der Jahiliyya stammen, der „Zeit der Finsternis“, aus vorislamischer Ära.

Offenbar hat es sich in Saudi-Arabien noch nicht herumgesprochen, daß es beim Versuch, ein frauenfeindliches Land touristisch zu erschließen, wenig zielführend ist, eine Frau als Journalistin einzuladen.
Kein Wunder, daß Judkas Strittmaters Artikel so anfängt:
Saudi-Arabien öffnet sich dem Tourismus und empfängt gern Besucher aus dem Westen. Für die gelten jedoch strenge Regeln. Das fängt beim Verschleierungszwang bei weiblichen Reisenden an – und kann schlimmstenfalls mit dem Tod durch das Schwert wegen Gotteslästerung enden.

Aber dazu braucht es auch keine Reisejournalisten, jeder weiß, worauf er sich bei einem Urlaub in Saudi-Arabien einläßt:
Die Boeing der staatlichen Fluglinie Saudia, die in den Himmel über München steigt, ist gähnend leer: Der obligatorische Flugzeugprediger vom Tonband, der mit Geisterbahnstimme Allah huldigt und diesen Flug segnet, verklingt ungehört, und im „Prayer-Room“ hinter Sitzreihe 61 werden später, in der Luft, gerade mal zwei Gebetsteppiche ausgerollt. Will denn niemand nach Saudi-Arabien?

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