Kein Pardon den Diktatoren
In letzter Zeit griff ich wiederholt nach den verstaubten Büchern im obersten Regal meiner Bibliothek, die sich mit Aufstieg und Fall großer Reiche und Kulturen auseinandersetzen. Man nimmt sich die Prophezeiungen der alten Geschichtsphilosophen mehr zu Herzen, sobald man Leitartikel, Schauermär von genoziden Szenen auf zwei Kontinenten einerseits und andererseits Berichte von den Zoos der Vogel-Strauß-Politiker des Westens, mit Köpfen festgemauert in der Erde, tagtäglich aufnehmen muss. Kein Tag vergeht, wo nicht in Darfur, Harare oder Gaza etwas Grauenhaftes geschieht und beredte Politiker das Weltgewissen aufwühlen, doch stets am Rande entschlossener Aktionen brüsk stehen bleiben.
Nichts ermutigt einen Terroristen, Diktator oder religiös-fanatischen Selbstmörder mehr als Unentschlossenheit und leere Rhetorik im Lager des Todfeindes. Ärger noch als Schwächesymptome sind die Lockversuche, die einem erfolgreichen Killer Geld und Status garantieren gegen das Versprechen, nicht wieder zu morden.
Das Eingeständnis einer Reihe hoher Militärs in England, dass Großbritannien nicht im Stande sei, neben dem Irak und Afghanistan eine dritte Front zu stellen und sich nicht über das gegenwärtige Kontingent von über 12 500 Soldaten hinaus noch die Ausrüstung der Truppen für die Erfordernisse eines modernen Krieges leisten kann, mag beim britischen Steuerzahler wie eine Bombe einschlagen. Doch es bringt Jubeltöne von den Verschwörern in den Höhlen von Wasiristan, den Reihen von Hamas, Hisbollah und den Zellen von al-Qaida in der gesamten muslimischen Welt.
Dem Leser von Fernsehkommentarextrakten aus Nah-Ost kann nicht der höhnische Vergleich zwischen der kampffreudigen Stimmung der Dschihadisten und den kampfesmüden "Kreuzfahrern" des Westens entgehen. "Wir können 30 000 'Märtyrer' in jeder Region des Islam sofort mobilisieren. Die Ungläubigen haben Probleme, 300 Rekruten zu finden", hieß es in einem Bin-Laden-Rundschreiben im Internet.
Die iranische Atombombe hängt wie das Schwert des Damokles über den Häuptern der lockeren Koalition des Westens. In deren Lager wird plädiert, gedroht und verlockt, doch man wagt nicht, in allem Ernst einen Schlussstrich zu ziehen.
Wer Sündern Belohnung verspricht, lässt die Moral außer Sicht. Als die Westmächte seinerzeit Hitler Großanleihen und einen Platz am Tisch der Großmächte versprachen, wenn er nur nicht ein weiteres Land verschlänge, schrieb der britische Kolumnist Harold Nicolson: "Zum ersten Mal bietet man einem Serienmörder Belohnung dafür, dass er sich nicht nach seinem nächsten Opfer umschaut." Gemäß Spengler und Toynbee verhilft moralisches Zwielicht im Lager der Angegriffenen meistens den Angreifern zum Enderfolg.
Es ist entsetzlich, daß nur greise Intellektuelle (Weidenfeld ist 89, Giordano ist 85) die Gefahr erkennen.
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