Jetzt ist es soweit. Die chinesische KP steht kurz vor den olympischen Spielen vor ihrem Abflug auf den Misthaufen der Geschichte. Was mit der wirtschaftlichen Liberalisierung lange aufgehalten wurde, schlägt jetzt unterstützt durch Zugang zu neuen Medien in voller Härte zu: Nach Tibet erheben sich auch andere Regionen in China gegen das totalitäre Regime, das den Namen kommunistisch schon lange nicht mehr verdient. Marktwirtschaft ohne Freiheit funktioniert offenbar doch nicht. Doch noch gibt sich die KP-Führung unbelehrbar, das Militär wurde in die aufständischen Provinzen entsandt und sämtliche westliche Journalisten ausgewiesen.
Der ORF berichtet über den (hoffentlichen) Zerfall eines Unrechtssystems:
Droht Flächenbrand?
Weitere Provinzen sind nun von Unruhen betroffen.Die chinesische Regierung hat ihre Militärpräsenz in Tibet und zwei Nachbarprovinzen offenbar massiv verstärkt.
Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete am Donnerstag erstmals von Unruhen auch in den Provinzen Gansu und Sichuan. Teile dieser Provinzen gehören zum tibetischen Siedlungsgebiet.
Unklarheit über Anzahl der Toten
Xinhua machte für die weiteren Unruhen ebenfalls Anhänger des Dalai Lama verantwortlich. Das geistliche Oberhaupt der Tibeter bestreitet die Vorwürfe und hat aus seinem indischen Exil beide Seiten zum Gewaltverzicht aufgerufen.
Xinhua zufolge haben sich 170 Personen wegen ihrer Beteiligung an Unruhen in der tibetischen Hauptstadt Lhasa den Behörden gestellt. Nach Angaben der Regierung kamen 16 Menschen ums Leben, 325 wurden verletzt. Die Zahl der Todesopfer wurde von Exil-Tibetern mit 80 angegeben.
Aba: Tote durch Schüsse
Bei Unruhen in von Tibetern bewohnten Gebieten der Stadt Aba in der Provinz Sichuan wurden Bewohnern zufolge seit vergangenem Freitag 18 Menschen von chinesischen Sicherheitskräften erschossen. Das bestätigten am Donnerstag unabhängige Quellen der dpa in Peking.
Exiltibetische Organisationen hatten bereits am Dienstag von mindestens 39 Opfern durch Schüsse von chinesischen Truppen in Aba sowie Machu (Provinz Gansu) berichtet. Unklar war, ob es sich bei den unterschiedlichen Berichten teilweise um dieselben Opfer handelte.
China will hart durchgreifen
In der vergangenen Woche hatte China nach offiziellen Angaben 24 Menschen verhaftet. Die Staatsanwaltschaft wirft den Verdächtigen Gefährdung der nationalen Sicherheit sowie Plünderungen, Brandstiftungen und andere gewaltsame Übergriffe vor, wie der amtliche tibetische Mediendienst am Donnerstag mitteilte.
Es lägen stichhaltige Beweise vor, sagte der stellvertretende Leiter der Strafverfolgungsbehörde in Lhasa, Xie Yanjun. Harte Strafen seien nötig, um die Einhaltung der Gesetze zu gewährleisten.
"Angst, Haus zu verlassen"
Bei der Bevölkerung geht die Angst um. Eine Tibeterin im Nordwesten von Sichuan sagte telefonisch: "Es sind viele, viele Soldaten da. Ich habe Angst, das Haus zu verlassen." Sie habe von zahlreichen Verhaftungen gehört, sagte die Bewohnerin der Präfektur Aba.
In der Stadt Aba seien am Sonntag Geschäfte und Amtsgebäude angegriffen worden, meldete Xinhua. Ähnliche Vorfälle habe es in fünf Präfekturen der Provinz Gansu gegeben.
Für Ausländer gesperrt
Die chinesischen Behörden haben Tibet und die angrenzenden Provinzen für alle Ausländer gesperrt. Ein BBC-Journalist in Westchina berichtete, er habe mehr als 400 Militärfahrzeuge in Konvois in Richtung Tibet fahren gesehen.
China verstärkt Truppenpräsenz
Nach Angaben des deutschen Korrespondenten Georg Blume wurde die Truppenpräsenz in der tibetischen Hauptstadt Lhasa drastisch verstärkt.
Er habe einen Konvoi von mindestens 200 Armeefahrzeugen mit je 30 Soldaten gesehen - das seien rund 6.000 Sicherheitskräfte, die binnen eines Tages in Lhasa unterwegs gewesen seien, sagte Blume der britischen BBC, kurz bevor er am Donnerstag Tibet verlassen musste.
Blume schreibt unter anderem für die Hamburger Wochenzeitung "Die Zeit" und die Berliner "tageszeitung" ("taz").
Polizei verfolgt Journalisten
Blume und der Journalistin Kristin Kupfer, die in Peking für das Nachrichtenmagazin "profil" akkreditiert ist, war es gelungen, am Tag nach dem Ausbruch der schweren Unruhen am Freitag ohne die sonst für Tibet erforderliche Genehmigung nach Lhasa zu reisen. "Es ist hochinteressant, was hier an Leid zu erfahren ist", sagte Blume.
Seit ihrer Ankunft in Lhasa habe die Ausländerpolizei sie aufgefordert, das Hochland wieder zu verlassen. "Seit Samstag sind sie jeden Tag ins Hotel gekommen", so Blume.
Zum Zug eskortiert
Blume und Kupfer wurden am Donnerstag aus Tibet ausgewiesen. Ihnen habe ein ranghoher Funktionär mit dem Entzug der Aufenthaltsgenehmigung in China gedroht, berichtete Blume telefonisch der dpa in Peking, bevor die Polizei sie zum Zug eskortierte.
"Uns wurde heute auf einschüchternde Weise gesagt, wenn wir jetzt nicht gehen, werden wir sehr große Probleme bekommen, und zwar auch in der Visa-Frage", sagte der China-Korrespondent der "Zeit" und der "taz".
Die beiden waren die letzten ausländischen Korrespondenten in Tibet. Zuvor hatten bereits der Korrespondent des "Economist", James Miles, sowie am Montag schon mehrere Hongkonger Journalisten Lhasa verlassen müssen.
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